30. Juli 2025

Die dunkle Materie macht einen Großteil der Masse im Universum aus

Dunkle Materie ist eine hypothetische, bisher nicht direkt nachweisbare Form von Materie, die einen erheblichen Anteil der Gesamtmasse des Universums ausmacht. Obwohl sie selbst weder Licht abstrahlt, reflektiert noch absorbiert und daher mit herkömmlichen Teleskopen nicht sichtbar ist, zeigt sie ihre Existenz durch ihre gravitative Wirkung auf sichtbare Materie, Strahlung und die großräumige Struktur des Kosmos. Dunkle Materie macht rund 27 Prozent der gesamten Energie-Masse-Dichte des Universums aus. Im Vergleich dazu nimmt die sichtbare Materie – also alles, was wir sehen können, von Sternen über Gasnebel bis zu Planeten – lediglich etwa fünf Prozent ein. Der verbleibende Anteil, etwa 68 Prozent, wird der sogenannten dunklen Energie zugeschrieben, die für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich ist.

Die Entdeckung der dunklen Materie begann indirekt im frühen 20. Jahrhundert, als Astronomen wie Fritz Zwicky die Bewegung von Galaxien in Haufen analysierten. Zwicky stellte fest, dass die beobachtete Geschwindigkeit der Galaxien in einem Haufen deutlich höher war, als durch die sichtbare Masse erklärbar wäre. Er schloss daraus, dass eine große Menge unsichtbarer Materie vorhanden sein müsse, die zusätzliche Gravitation erzeugt. Jahrzehnte später bestätigten Vera Rubin und Kent Ford diese Beobachtungen durch die Messung von Rotationskurven in Spiralgalaxien. Sie fanden heraus, dass die äußeren Bereiche von Galaxien viel schneller rotierten, als es aufgrund der sichtbaren Materie zu erwarten wäre. Diese Ergebnisse machten deutlich, dass sich eine erhebliche Masse in einem unsichtbaren Halo um die Galaxien befinden muss.

Darüber hinaus liefert die kosmische Hintergrundstrahlung, das „Nachglühen“ des Urknalls, einen weiteren Beweis für die Existenz der dunklen Materie. Präzise Messungen dieser Strahlung, unter anderem durch die Raumsonden WMAP und Planck, zeigen ein Muster kleinster Temperaturfluktuationen. Diese lassen sich nur dann mit den theoretischen Vorhersagen der Kosmologie in Einklang bringen, wenn dunkle Materie als zusätzlicher gravitativer Einfluss einbezogen wird. Auch bei der Beobachtung von Gravitationslinsen – also der Ablenkung von Licht durch große Massenansammlungen im Raum – zeigt sich, dass dort oft weit mehr Masse vorhanden sein muss als durch sichtbare Materie erklärt werden kann. Besonders eindrucksvoll demonstriert dies der sogenannte Bullet-Cluster, ein System kollidierender Galaxienhaufen, bei dem sich die Verteilung der gravitativen Masse klar von der des leuchtenden Gases unterscheidet.

Die Natur der dunklen Materie ist trotz ihrer kosmologischen Bedeutung bis heute nicht eindeutig geklärt. Es wird angenommen, dass sie aus bislang unbekannten, nicht-baryonischen Teilchen besteht, also nicht aus den Bestandteilen normaler Atome. Verschiedene Theorien postulieren mögliche Kandidaten: sogenannte WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), die kaum mit normaler Materie in Wechselwirkung treten, oder extrem leichte Teilchen wie Axionen, die ebenfalls nur sehr schwach mit anderen Teilchen interagieren. Auch hypothetische Teilchen aus supersymmetrischen Theorien wie das Neutralino gehören zu den möglichen Erklärungen. Eine weitere Möglichkeit bieten sterile Neutrinos, eine hypothetische Erweiterung der bekannten Neutrinofamilie.

Zahlreiche Experimente und Detektoren auf der Erde versuchen, dunkle Materie direkt nachzuweisen, etwa durch ihre mögliche Wechselwirkung mit Atomkernen. In unterirdischen Laboratorien wie XENONnT in Italien, LUX-ZEPLIN in den USA oder PandaX in China wird auf die extrem seltene Kollision eines dunklen Materieteilchens mit einem Detektoratoms gehofft. Bislang konnten jedoch keine eindeutigen Treffer erzielt werden. Parallel dazu werden im Weltall Satelliten eingesetzt, die versuchen, Zerfalls- oder Annihilationsprodukte dunkler Materie – etwa Positronen oder Gammastrahlung – zu entdecken. Auch hierbei fehlen bislang bestätigte Beweise. Der Large Hadron Collider (LHC) am CERN sucht zudem nach dunkler Materie in Form neuer Teilchen, die bei Hochenergiekollisionen entstehen könnten. Bislang bleibt auch hier der eindeutige Nachweis aus.

Die dunkle Materie spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Entwicklung der großräumigen Strukturen im Universum. Schon kurz nach dem Urknall begannen sich durch kleine Dichteschwankungen in der Materieverteilung erste Strukturen zu bilden. Diese konnten sich durch die zusätzliche Gravitation dunkler Materie wesentlich schneller verdichten als durch baryonische Materie allein. Ohne diese frühe Mitwirkung dunkler Materie wären Galaxien, Sterne und Planeten vermutlich nicht in der heute beobachtbaren Form entstanden. Auch die Stabilität von Galaxien selbst hängt offenbar von der dunklen Materie ab: Sie verhindert, dass diese aufgrund ihrer hohen Rotationsgeschwindigkeiten auseinanderfliegen.

Insgesamt ist die dunkle Materie somit nicht nur ein faszinierendes theoretisches Konzept, sondern auch ein zentrales Element zur Erklärung der kosmischen Realität. Ohne sie ließe sich die beobachtete Struktur und Dynamik des Universums nicht konsistent beschreiben. Sie stellt jedoch auch eine große Herausforderung für die Wissenschaft dar. Denn obwohl sie ein dominierender Bestandteil des Universums ist, bleibt ihre genaue physikalische Natur rätselhaft. Ihre Erforschung steht deshalb im Zentrum zahlreicher astrophysikalischer, kosmologischer und experimentell-teilchenphysikalischer Bemühungen. Es ist gut möglich, dass ihre Entschlüsselung nicht nur unser Bild vom Universum grundlegend verändert, sondern auch eine Tür zu neuer, noch unbekannter Physik öffnet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert