7. Juli 2025

Die Entstehung des Nördlinger Ries

Das Nördlinger Ries, eine rund 25 Kilometer große kreisförmige Senke im Grenzgebiet zwischen Bayern und Baden-Württemberg, zählt zu den eindrucksvollsten Einschlagskratern der Erde. Seine Entstehung geht auf ein spektakuläres kosmisches Ereignis zurück: Vor etwa 14,6 Millionen Jahren schlug dort ein Asteroid auf der Erde ein – ein Moment, der das Gebiet für immer veränderte.

Der Himmelskörper, der das Ries erschuf, hatte nach heutigen Erkenntnissen einen Durchmesser von etwa einem Kilometer. Er raste mit einer Geschwindigkeit von rund 70.000 Kilometern pro Stunde auf die Erdoberfläche zu. Begleitet wurde er wahrscheinlich von einem kleineren Begleitkörper, der wenige Sekunden später den Krater des heutigen Steinheimer Beckens, rund 40 Kilometer südwestlich, verursachte.

Beim Aufprall wurde in Bruchteilen von Sekunden eine Energie freigesetzt, die mehreren Hunderttausend Hiroshima-Bomben entsprach. Das Gestein an der Einschlagstelle wurde schlagartig verdampft, geschmolzen und in alle Richtungen weggeschleudert. Die Druckwellen durchquerten das Gestein mit Überschallgeschwindigkeit, wodurch sich eine Schockmetamorphose vollzog – ein Prozess, bei dem die physikalischen Eigenschaften von Mineralien verändert werden. Ein typisches Produkt dieser Umwandlung ist der sogenannte Suevit, ein Gestein aus geschmolzenem und zersplittertem Material, das im Ries vielerorts zu finden ist und sogar zum Bau des Nördlinger Münsters verwendet wurde.

Das Ries war nach dem Einschlag zunächst ein tiefer Krater mit zentralem Gipfel, einem sogenannten Zentralkegel, wie er bei vielen Einschlagkratern typisch ist. Im Laufe der Jahrmillionen wurde dieser durch Verwitterung, Erosion und Sedimentation weitgehend eingeebnet. Trotzdem ist die Struktur des Kraters bis heute gut erkennbar – insbesondere aus der Luft oder im Satellitenbild erscheint der Kraterrand als klar umrissene, kreisförmige Erhebung in der Landschaft.

Lange Zeit glaubte man, das Ries sei vulkanischen Ursprungs. Erst in den 1960er-Jahren wurde durch geologische Untersuchungen und das Auffinden von Hochdruckmineralen wie Coesit und Stishovit zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich um einen Meteoriteneinschlag handelt. Dieser Nachweis war nicht nur für die regionale Geologie bedeutend, sondern trug weltweit dazu bei, das Verständnis von Impaktstrukturen und kosmischen Kollisionen zu vertiefen.

Heute ist das Nördlinger Ries ein bedeutendes geowissenschaftliches Forschungsgebiet sowie ein Ort mit hohem touristischem und pädagogischem Wert. Das Ries Krater Museum in Nördlingen bietet Besuchern eindrucksvolle Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Kraters, die Auswirkungen des Einschlags und die Verbindung zur Erd- und Himmelsgeschichte. Das Ries selbst ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie eng unser Planet mit den Prozessen im Weltall verbunden ist – und wie ein einziger kosmischer Moment eine ganze Landschaft für Millionen von Jahren prägen kann.

Besuch von Astronauten der NASA im Nördlinger Ries

Im Jahr 1970 wurde das Nördlinger Ries für einige Tage zum Trainingsgelände für Raumfahrer – eine Episode, die heute fast legendären Status hat. Im Rahmen ihrer Vorbereitung auf die Apollo-Mondmissionen besuchte eine Gruppe von Astronauten der NASA die Kraterlandschaft in Süddeutschland, um geologische Kenntnisse zu vertiefen und sich auf die Arbeit auf dem Mond vorzubereiten. Der Besuch war Teil eines internationalen wissenschaftlichen Austauschs zwischen US-amerikanischen Raumfahrtbehörden und europäischen Geologen.

Hintergrund dieses außergewöhnlichen Besuchs war die Tatsache, dass das Nördlinger Ries ein hervorragend erhaltener Meteoriteneinschlagskrater ist. Die geologischen Strukturen und die bei dem Einschlag entstandenen Gesteine, insbesondere der sogenannte Suevit, ähneln in vielerlei Hinsicht dem Material, das die Astronauten auf der Mondoberfläche erwarten würden. Besonders das Verhalten von Gestein unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen, wie sie bei Einschlägen im All oder auf dem Mond vorkommen, war von großem Interesse für die Missionsvorbereitung.

Unter der Leitung deutscher Geologen wurden die NASA-Astronauten intensiv in die Geologie des Ries-Kraters eingeführt. Zu den Teilnehmern des Trainings gehörten prominente Mitglieder des Apollo-Programms, darunter Alan Shepard, Edgar Mitchell, Dave Scott, James Irwin, Charles Duke und Harrison Schmitt – letzterer war der einzige ausgebildete Geologe unter den Apollo-Astronauten. Die Gruppe besuchte unter anderem die Steinbrüche bei Polsingen und Otting sowie das Innere des Kraters in der Umgebung von Nördlingen. Dort untersuchten sie typische Impaktgesteine, lernten, geologische Formationen zu erkennen, und übten die Entnahme und Dokumentation von Gesteinsproben.

Das Ziel war, dass die Astronauten bei ihrer Mondmission nicht nur technisch geschult, sondern auch geowissenschaftlich kompetent agieren konnten. Denn die Proben, die vom Mond zur Erde gebracht wurden, sollten einen möglichst hohen wissenschaftlichen Wert haben – und das erforderte ein geschultes Auge für besondere Strukturen, Texturen und Gesteinstypen.

Der Besuch der NASA-Astronauten im Ries unterstrich die internationale Bedeutung dieses Kraters für die Impaktforschung. Gleichzeitig war er ein frühes Beispiel für die enge Zusammenarbeit zwischen Raumfahrt und Geowissenschaften. Die Spuren dieser historischen Begegnung sind bis heute sichtbar – nicht nur im RiesKraterMuseum in Nördlingen, das auch an diese Episode erinnert, sondern auch in den Erinnerungen der Wissenschaftler, die damals mit den Raumfahrern arbeiteten.

Der Aufenthalt der Apollo-Astronauten im Nördlinger Ries war ein kleines, aber bedeutsames Kapitel im Vorfeld der letzten bemannten Mondmissionen. Er zeigt eindrucksvoll, wie sich ein geologisch einzigartiger Ort in Bayern zu einem wichtigen Trainingsareal für die Erforschung eines anderen Himmelskörpers entwickeln konnte – und wie stark die Verbindung zwischen Erde, Wissenschaft und Raumfahrt wirklich ist.

Dank der NASA durch Mondgestein für Nördlingen

Als Zeichen der Wertschätzung für die geologische Schulung ihrer Astronauten im Nördlinger Ries überreichte die NASA der Stadt Nördlingen ein besonderes Geschenk: ein kleines Stück Mondgestein. Dieses Gestein stammt von einer der Apollo-Missionen und wurde während der bemannten Mondlandungen in den Jahren 1969 bis 1972 gesammelt.

Der Hintergrund: 1970 besuchten mehrere Apollo-Astronauten das Nördlinger Ries, um sich auf die geologischen Herausforderungen ihrer Mondmission vorzubereiten. Das Ries, als gut erhaltener Einschlagskrater, bot ideale Bedingungen für das Training. Besonders die Impaktgesteine wie der Suevit ähneln dem Material, das auf dem Mond vorkommt.

Als Dank für die wissenschaftliche Unterstützung und die Zusammenarbeit mit deutschen Geologen übergab die NASA später ein Mondgesteinsfragment an das Ries Krater Museum. Es ist dort bis heute ausgestellt – ein stiller, faszinierender Beweis für die Verbindung zwischen einem bayerischen Krater und der Erforschung des Mondes.

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